Spazieren als ziviler Ungehorsam?

Shownotes

In den vergangenen Wochen fanden in verschiedenen Städten Deutschlands sogenannte Spaziergänge statt, bei denen zum Teil tausende Menschen trotz Versammlungsverbot gegen die Corona-Schutzmaßnahmen auf die Straße gingen. Diese Aktionen, an denen zum Teil rechtsextreme Gruppen wie die „Freien Sachsen“ beteiligt waren, werden von Teilnehmenden und Organisatoren oft als eine Form zivilen Ungehorsams oder gar als Widerstand bezeichnet.

Wir haben mit dem Bundestagspräsidenten a.D. Wolfgang Thierse und mit Birgit Munz, der ehemaligen Präsidentin des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs, gesprochen und wollten wissen, ob diese Selbstcharakterisierung der Corona-Spaziergänge richtig ist und was zivilen Ungehorsam als solchen eigentlich genau auszeichnet.

Die Intitiative „Bautzen gemeinsam“ ruft zur Teilnahme an der bundesweiten Aktion „Zusammenstehen. #Deutschland gemeinsam“ auf. Als Zeichen der Solidarität und des gesellschaftlichen Zusammenhalts soll es am Freitag, den 28. Januar 2022, einen stillen Lichterzug vom Bautzener Petri-Dom zum Kornmarkt und wieder zurück geben.

Birgit Munz studierte Rechtswissenschaften an der Universität Bonn. Von 1981 bis 1997 war sie Richterin am Landgericht Bonn und am Oberlandesgericht Köln tätig. Im Jahr 1997 wurde Munz Vorsitzende Richterin am Landgericht Dresden, 2003 folgte die Ernennung zur Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht Dresden. Von 2007 bis 2020 war sie zudem Präsidentin des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes.

Wolfgang Thierse studierte Germanistik und Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. Im Januar 1990 trat er in die Sozialdemokratische Partei der DDR ein und wurde auf dem Vereinigungsparteitag der SPD im September desselben Jahres zu einem der stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt. Thierse war von 1990 bis 2013 Mitglied des Bundestages. Von 1998 bis 2005 hatte er das Amt des Bundestagspräsidenten inne und war danach noch bis 2013 Vizepräsident des Deutschen Bundestages.

Moderation: Dr. Falk Hamann
Redaktion: Dr. Thomas Arnold, Dr. Falk Hamann, Jonas Lietz und Emily Siegel
Intro/Outro, Schnitt und Produktion: Daniel Heinze

Der Podcast wird als Projekt mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

Kommentare (2)

Montagswanderer

Ein sehr interessanter und hörenswerter kritischer Blick auf die Montagsspaziergänge. Vom ganzen Setting her natürlich einseitig, nicht abwägend, nicht das Pro und Kontra darstellend. Wie es der Untertitel ja sagt „Ein [rein] kritischer Blick auf die Corona-Spaziergänge“. Schade, aus dem Thema hätte man durch die Einbeziehung eines Unterstützers der Montagsspaziergänge noch deutlich mehr machen können. Der MDR ist hier schon weiter (https://www.mdr.de/video/mdr-videos/c/video-593684.html) Die Gegenposition im Detail darzustellen würde hier zu weit gehen. Nur so viel zu wichtigsten Frage, der Gewaltfreiheit: Aus meinem Erleben in Jena sind die Montagsspaziergänge eine zivilisierte und vor allem friedliche Zusammenkunft von Menschen. Der Zug bewegt sich still einmal um die Innenstadt. Insoweit keine Blockaden durch den Gegenprotest erfolgen, bleiben die Spaziergänger auf den Bürgersteigen und bei Rot an der Ampel stehen. Unruhig wird es dann, wenn die Polizei Teile der Spaziergänger einkesselt, Gewalt kommt ins Spiel, wenn die Gegendemonstranten den öffentlichen Raum blockieren. Mich persönlich erschüttert jedoch eine ganz andere Form von Gewalt: die Gewalt der Worte, wenn ich als Christ und Demokrat als Nazi-Faschist beschimpft werde. Soll das die Reaktion des erwünschten Gegenprotestes sein? Ich denke, wir sind uns alle darüber im Klaren, dass zur Demokratie auch der Respekt vor der anderen Meinung gehört. Nur so ist ein gesellschaftlicher Dialog möglich. Im Übrigen: Auch die Friedliche Revolution glitt am 4. Oktober 1989 in Gewalt ab. Es war der Tag, an dem Demonstranten den Dresdener Hauptbahnhof stürmten. Zum Glück haben die Menschen hieraus schnell gelernt. Die friedliche Revolution von 1989 blieb nachfolgend gewaltfrei. Aus meiner Sicht ein Vorbild für die Montagsspaziergänge von heute.

Lilli und Tabaluga

Danke...Sie haben uns allen aus dem Herzen gesprochen. Ich glaube viele der Spaziergänger würden anders denken, wenn sie zu Beginn der Montagsdemos miterlebt hätten, wie eine wirkliche Diktatur gegen Andersdenkende vorgegangen ist. Vielleicht sollte man für sie mal Beobachtungsgänge in ehemaligen DDR Gefängnissen organisieren oder sie durch Dresden hetzen wie Hunde. Wir wie Hunde. Mir geht die Galle hoch, wenn ich solche absurden Vergleiche höre. Toller Podcast..✌✌

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