Wie Aufarbeitung gelingen kann

Shownotes

Die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche scheint nicht wirklich voranzukommen. Auch heute – mehr als zehn Jahre nach Bekanntwerden der ersten Fälle – kommen immer neue Informationen über das Ausmaß von Missbrauch und systematischer Vertuschung ans Tageslicht. Erst vergangene Woche berichtete der SPIEGEL über Vorgänge im Bistum Trier. Wir haben mit Pater Klaus Mertes SJ über die bisherigen Versuche der Aufarbeitung in der Kirche gesprochen und ihn gefragt, warum diese immer wieder scheitern.

Pater Mertes hat vor kurzem das Buch „Den Kreislauf des Scheiterns durchbrechen. Damit die Aufarbeitung des Missbrauchs am Ende nicht wieder am Anfang steht“ (Patmos 2021) veröffentlicht. Darin zieht er eine Bilanz der bisherigen Aufarbeitung des sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche und plädiert für eine grundlegende Neuorientierung: Wenn die Aufarbeitung gelingen soll, dürfe es den Verantwortlichen nicht länger primär um das Zurückgewinnen verlorener Glaubwürdigkeit gehen.

Klaus Mertes SJ studierte Philologie und Slawistik in Bonn. 1977 trat er in den Jesuitenorden ein und studierte anschließend Philosophie in München und Theologie in Frankfurt. Von 2000 bis 2011 war er Direktor des Canisius-Kollegs in Berlin, wo er als einer der ersten Fälle sexuellen Missbrauchs öffentlich machte. Bis 2020 leitete anschließend das internationale Jesuitenkolleg in St. Blasien. Pater Mertes veröffentlichte mehrere Bücher und schreibt regelmäßig Beiträge für den „Tagesspiegel“. Seit 2018 ist er Redakteur der monatlichen Kulturzeitschrift „Stimmen der Zeit“.

Informationen für Betroffene von Missbrauch und deren Angehörige finden Sie auf dem Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch, bei der Betroffenen-Initiative Eckiger Tisch oder auf der entsprechenden Seite der Deutschen Bischofskonferenz.

Moderation: Dr. Karin Wollschläger
Redaktion: Dr. Thomas Arnold, Dr. Falk Hamann, Emily Siegel
Intro/Outro, Schnitt und Produktion: Daniel Heinze

Der Podcast wird als Projekt mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

Kommentare (2)

Paula

P. Klaus Mertes schätzte ich sehr, weil ich den Mut bewunderte, mit dem er diese "Sache" angestoßen hat, dennoch: Dem Kommentar von "Eckiger Tisch Bonn" stimme ich zu!

Eckiger Tisch Bonn

Liebe Redaktion, hier ein paar Anmerkungen zu dem Interview mit Pater Mertes. Herr Mertes spricht moniert zu recht mehrfach und vehement, Betroffene von sexuellem Missbrauchs im Kontext der katholischen Kirche nicht zu instrumentalisieren. Leider tut er dies selbst in einem fort. Nie ging es in der Missbrauchsdiskussion um Minderschweres wie z.B. das verwenden falscher Worte. Es geht nicht auch nicht mehr um die Täter-Priester. Es geht um das System Kirche das sie hervorbringt. Das Mertes sich die Missbrauchsdebatte für die eigene Agenda instrumentalisiert (wie zuvor schon das Thema Homosexualität) ist nicht gut. Er sollte das lassen. Für wen spricht er überhaupt? Vertreter der Täterorganisation Als Vertreter einer Täterorganisation (hier die Jesuiten) verschweigt er vorsätzlich, dass sein Orden keine Studie analog zur MHG Studie angefertigt hat. Er betont, dass Beiräte nicht funktionieren, dass Zahlung enttäuschen und das kirchliche Ziele Vorrang haben, ohne auf wesentliche Forderungen von Betroffenen einzugehen. Die Zahlungen Er, Mertes führte den juristisch unproblematischen Begriff der Anerkennungsleistungen ein. Er rühmt sich damit, dass es ja Betroffene gäbe, deren Anspruch geringer als dieser Betrag wäre. Das mag sein, doch verschweigt er, dass dieser Betrag für den Großteil der Betroffenen zu recht als Abspeisung empfunden werden muss. Um hier Transparenz zu vermeiden werden Betroffene nicht am Verfahren beteiligt. Es ist schwer, dass nicht als übergriffig oder abspeisend zu empfinden. Geld wäre bei allen den Missbrauch betreffenden Themen das am einfachsten zu lösende Problem gewesen. Verantwortung Pater Mertes übergeht, dass sein Orden (die Jesuiten) bis heute Hauptverantwortlichen für Missbrauchsysteme keinerlei Sanktionen auferlegt, sondern im Gegenteil, Ihnen öffentlich das vollste Vertrauen ausspricht. Das diesen Menschen zusammenleben muss, ist seine freie Entscheidung. Daraus eine Opferrolle zu kreieren ist irreführend und unlauter. Hier können auch selbstauferlegte Ordenregel nicht als Rechtfertigung genügen. Rauswurf Das die Forderung eines Rauswurfes überakzentuiert wird ist ebenso irreführend. Ob Priester aus Orden oder Ämtern geworfen werden wenn sie Grenzverletzend waren ebenfalls eine Erzeugung eines Opfermythoses. Im Zentrum der Kritik stehen vor allem Entscheidungsträger und Verantwortliche, die Kinder hätten Schützen und Täter melden müssen, was sie nicht taten. Derzeit ist die Situation, dass das Missbrauchtestem Kirche sich über Hirarchienen hinweg immer wieder selber entschuldet. Das ist der Skandal. Das auch wenig oder unbeteiligte (alle Priester) dadurch stigmatisiert werden ist nicht Schuld von Betroffenen oder Medien, sondern einzig und alleine dem weiterhin verantwortungslosen Handeln der Verantwortlichen der Institution zuzuschreiben. Was das Problem ist? Priester und Ordensleute können die Institution verlassen, wenn ihnen dieser Umstand zu viel wird. Betroffene können das nicht. Prävention Pater Mertes behauptet, dass die katholische Kirche Vorreiter in Sachen Prävention ist. Gerade diese Behauptung ist verdächtig und gefährlich. Das ist nicht möglich, solange die systematischen Ursachen nicht abgestellt sind. Ob es Gehorsamsgelübde, Männerbünde, Hierarchien oder die Sexualmoral ist, all das sind wesentliche Risikofaktoren. Keines davon ist angefasst worden. Da Missbrauchssysteme vor allem auch Machtmissbrauchssysteme sind, kann eine Prävention nur sehr eingeschränkt funktionieren.

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